Liebe Freundinnen und Freunde der Internationalen Christlichen Arbeiterjugend,
vor allem liebe Engagierte und Ehemalige aus den Nationalbewegungen,
ganz besonders aus der flämischen KAJ und der wallonischen JOC,
herzlich grüße ich Sie und gratuliere Ihnen zu 100 Jahren Christliche Arbeiterjugend (CAJ).
100 Jahre – anlässlich solcher Geburtstage gratuliert man üblicherweise zu einem erfüllten
Werdegang und honoriert die Leistung der Jubilarin an den letzten Stationen ihres Lebens.
Bei der CAJ ist das anders: Sie ist eine Hundertjährige, die vor Jugend nur so strotzt!
Das feiern Sie gebührend, mit einem beeindruckenden Programm für ein Fest der
Generationen und des internationalen Austausches. Was hätte Ihr Gründer, der spätere
Kardinal Joseph Leon Cardijn, wohl gesagt, wenn er das damals in Brüssel schon am Beginn
Ihrer Vereinigung gewusst hätte? Bestimmt wäre er sehr stolz gewesen. Zugleich vermute
ich, wäre er heute erschrocken über die Arbeitsbedingungen, denen noch immer viele
Menschen auf der Welt tagtäglich ausgesetzt sind. Das ist kein Problem nur einzelner Länder
– eine so international aufgestellte Vereinigung wie die CAJ weiß das sicher noch viel besser
als ich. Die Nöte und Probleme arbeitender Menschen, vor allem Jugendlicher und junger
Erwachsener, finden wir in jedem Land vor unserer eigenen Haustür – egal wo wir leben.
Bei der CAJ beobachte ich, dass Sie diesen Problemlagen auf dreifache Weise begegnen:
1. Die CAJ pflegt eine christlich-sozialethische Haltung.
Die CAJ hat ein probates Werkzeug wenn es darum geht, Missstände zu sehen, sie als solche
zu erkennen und sich dann zu emanzipieren, um Verantwortung zu übernehmen. Die Formel
dieser auch aus der katholischen Soziallehre bekannten Methode lautet „Sehen – Urteilen –
Handeln“. Wenn wir uns in der Nachfolge Christi für andere einsetzen, ist das heute noch
mindestens genauso notwendig wie 1925 bei der Gründung der CAJ. Mit der Haltung der
CAJ verbinde ich vor allem die Würde des Menschen, Solidarität und Gerechtigkeit, Bildung
und Befähigung, Toleranz und eine internationale Ausrichtung. Diese Werte und Prinzipien
spiegeln sich im christlichen Menschen- und Gesellschaftsbild. Ich teile mit der CAJ, dass
diese Werte und Prinzipien für mich unverzichtbar sind, für unsere Diözesen, für die
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Deutsche Bischofskonferenz und auch für die Kommission der Bischofskonferenzen der
Europäischen Union (COMECE) in Brüssel.
2. Die CAJ zeigt die Perspektive von Arbeit in Würde auf.
Papst Johannes Paul II. schreibt in der Sozialenzyklika Laborem exercens, dass Arbeit dazu
dient, „mehr Mensch“ zu werden. Papst Franziskus sagte in der Generalaudienz am 1. Mai
2013: „Die Arbeit […] erfüllt uns mit Würde; sie macht uns Gott ähnlich“. Das ist der wunde
Punkt und die eigentliche Erkenntnis: gute Arbeit basiert auf der Würde jedes Menschen.
Die Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz
hat dazu am 2. April 2025 das Impulspapier Die versöhnende Kraft der Arbeit veröffentlicht.
Wir sind uns bewusst, dass die Welt der Erwerbsarbeit Konflikte, Interessengegensätze und
Verteilungsfragen provoziert. Gerade angesichts schlechter Arbeitsbedingungen lenken wir
den Blick aber auf die positive Kraft der Arbeit. Denn Arbeit ist nicht nur Mittel zum Zweck.
Gute Arbeit leistet einen Beitrag zu einem erfüllten Leben und einem guten Miteinander. Sie
stiftet Gemeinschaft, denn am Arbeitsplatz begegnen sich Menschen mit unterschiedlichen
Hintergründen und Lebenserfahrungen. Die CAJ hat schon vor 100 Jahren erkannt, dass
Arbeit einen ethischen Kompass braucht und die gleiche Würde jedes Menschen voraussetzt.
3. Die CAJ hat die Befähigung und die gesellschaftliche Teilhabe der Jugend im Blick.
Dazu bedarf es auch einer guten Bildungs- und Sozialpolitik zur Befähigung von Menschen,
für ihren Beruf und um am sozialen Miteinander zu partizipieren. Gute Arbeit kann insofern
zugleich eine Schule für gelebte Demokratie sein: Im betrieblichen Alltag lernen wir, uns
einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und andere Meinungen auszuhalten. Das sind
keine Nebensächlichkeiten – das ist demokratisches Grundtraining! Arbeit ermöglicht auf
diese Weise die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Gerade für junge Menschen haben
Sie dies bei der CAJ seit jeher im Blick – ganz im Sinne Ihres Gründers Joseph Cardijn.
So ist die Überzeugung „Jeder junge Arbeiter, jede junge Arbeiterin ist mehr wert als alles
Gold der Welt, weil wir eine göttliche Würde in uns tragen“ heute vielleicht aktueller denn
je. Daher bestärke ich Sie in Ihrem Engagement für die CAJ, grüße Sie herzlich und wünsche
Ihnen für mindestens die nächsten 100 Jahre viel Erfolg sowie Gottes Segen für Ihr Tun.
Bonn/Hildesheim, im April 2025
Dr. Heiner Wilmer SCJ
Bischof von Hildesheim, Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale
Fragen (VI) der Deutschen Bischofskonferenz und delegierter Bischof bei der Kommission
der Bischofskonferenzen der Europäischen Union (COMECE)