Fair statt prekär! Jugendliche in Europa arbeiten immer öfter unter prekären Arbeitsbedingungen

Auf Einladung des Europabüros der CAJ (ECAJ) trafen sich vom 27. November bis 1. Dezember 2013 25 CAJlerinnen und CAJler aus Belgien (Wallonie und Flandern), der Ukraine und Deutschland in Königswinter, um über die Situation von prekär beschäftigten Jugendlichen in Europa zu diskutieren.

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Das diesjährige Europaseminar, das von der ECAJ unter der Überschrift „Talkin´bout my generation“ durchgeführt wurde, setzte sich mit den Folgen von prekärer Beschäftigung für junge Menschen in Europa auseinander. Das Besondere an diesem Seminar war, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereits in prekären Beschäftigungsverhältnissen waren oder gerade sind. Beeindruckend waren die vielfältigen Formen der prekären Arbeit, die sich in den Erfahrungen der Jugendlichen zeigte. Dies führte in der Diskussion zu sehr persönlichen und emotionalen Einblicken in die Lebenswelt junger Menschen, die unter anderem von Erfahrungen mit befristeten Verträgen, Zeitarbeit, Werkverträgen und Teilzeitanstellungen wider Willen berichteten.

Viele von ihnen schilderten, dass sie manchmal nicht wissen, wie sie am Anfang des Monats ihre Miete bezahlen sollen oder die mit Mitte zwanzig immer noch bei den Eltern wohnen müssen, weil sie nur schlecht bezahlte Jobs bekommen. So berichtete Sofia aus Lviv, dass sie nach ihrem Soziologiestudium keinen Job gefunden hat und sich mit Aushilfsjobs über Wasser hält. „Eine eigene Wohnung ist da nicht drin. Ich habe nicht einmal das Geld für einfachste Konsumgüter, wie Schuhe oder eine Jeans.“, sagt Sofia. Diese Erfahrung hat auch Jallal aus Brüssel gemacht: „In Belgien geben die Zeitarbeitsfirmen zum Teil nur Wochenverträge. Manchmal sollen die Leiharbeiter aber auch nur für ein paar Stunden eingesetzt werden. Leute, die das nicht mitmachen, kommen auf eine Blacklist und kriegen keine Job-Angebote mehr. So kann man doch keine Familie gründen.“ Während des Seminars wurde deutlich, dass das Phänomen Zeitarbeit für Jugendliche in Belgien ein besonderes verbreitetes Problem ist. Dort fielen 2009 8,2 % aller Beschäftigungsverhältnisse in die Kategorie „Zeitarbeit“.

Dass es sich hierbei keineswegs um Einzelschicksale handelt, bestätigt auch Stefanie Wahl, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Theologische Ethik an der Universität Bamberg. „Die Zahl der prekär Beschäftigten hat nicht nur in Deutschland stark zugenommen. Dabei sind insbesondere Frauen und junge Menschen überproportional häufig betroffen.“ Laut Eurostat gelten derzeit nahezu 50% aller jugendlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa als prekär beschäftigt. Dabei wissen diese Menschen oftmals gar nicht, dass sie prekär beschäftigt sind oder sie wollen aus Scham nicht darüber reden. Dies weiß auch Sarah Prenger, die Europakoordinatorin der CAJ: „Es ist ungemein wichtig, dass sich junge Menschen ihrer Situation bewusst werden und offen über ihre Probleme reden, denn nur so können sie etwas verändern.“

Obwohl prekäre Arbeit derzeit vor allem ein Problem junger Menschen ist, ist zu befürchten, dass sich die Verhältnisse weiter verschlechtern werden. In der Beschäftigung mit prekären Arbeitsbedingungen mussten die Jugendlichen feststellen, dass es eine „Abwärtsspirale“ gibt und reguläre Arbeitsverhältnisse immer seltener werden. Die Befürchtung, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Europa sich verschlechtern werden, veranlasste die Jugendlichen, eine öffentlichkeitswirksame Aktion zu entwickeln. So begaben sie sich nach der Analyse der europäischen Arbeitswelt am Samstagnachmittag in die Bonner Innenstadt, um mit dem Slogan „Fair statt prekär!“ auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Es war erstaunlich, wie viele Menschen auf die Jugendlichen zugingen, um Fragen zu der Aktion und zu prekärer Arbeit zu stellen. In vielen Gesprächen erzählten Passanten von ähnlichen Erfahrungen, wie sie die Jugendlichen gemacht haben. Ebenso schlossen sich einige Menschen spontan der Aktion an. Hierdurch wurde deutlich, dass prekäre Arbeit ein Phänomen ist, das in unserer Gesellschaft weit verbreitet ist.

Die jungen CAJler und CAJlerinnen stellten während ihres Austausch-Seminars fest, dass es sich bei der Zunahme von prekärer Arbeit um ein europäisches Phänomen handelt. So wurde der Entschluss gefasst, sich auch in Zukunft auf europäischer Ebene zu vernetzen und sich dafür zu engagieren, dass sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen zum Besseren verändern werden.

Foto: Anne Gansfort

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